Thierry Breton wirkt nach. Obwohl der Franzose inzwischen aus der EU-Kommission ausgeschieden ist: Für seine Ideen gilt das nicht notwendigerweise. In seiner Amtszeit hatte der industriefreundliche Kommissar neue Regeln für die europäischen Telekommunikationsmärkte in den Raum gestellt. Ein Weißbuch sollte den Grundstein für ein konkretes Gesetz legen, den Digital Networks Act.
Neben der vorgeschlagenen Konsolidierung des Marktes sorgte eine weitere Idee für besonders viel Wirbel: Datenintensive Online-Dienste wie Netflix, TikTok & Co. sollten gesondert zur Kasse gebeten werden, um den europäischen Infrastrukturausbau mitzufinanzieren. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis appelliert nun an die designierte Digitalkommissarin, die liberal-konservative Finnin Henna Virkkunen, diesen Ansatz endgültig fallen zu lassen.
Konzept mit verschiedenen Namen
Die Debatte sei unter unterschiedlichen Namen geführt worden, heißt es in einem heute veröffentlichten offenen Brief an Virkkunen: „Fair Share“, „Kostenbeteiligung“, „Netzwerkgebühren“ oder „Sender Pays“, zuletzt wurde eine Schlichtungsstelle als möglicher Ansatz für die Datenmaut vorgeschlagen. Doch all diese Forderungen würden im Grunde auf das Gleiche hinauslaufen, schreibt das Bündnis: das Netzwerkmodell des Internets zugunsten einer Handvoll großer Telekommunikationsbetreiber zu verändern.
Auf EU-Ebene setzt sich vor allem der Industrieverband Connect Europe (ehemals ETNO) für dieses Modell ein, hierzulande ist es das Verbandsmitglied Deutsche Telekom AG. Während sich andere deutsche Netzbetreiber üblicherweise kostenfrei an die zunehmend ausgebaute Infrastruktur großer Inhalteanbieter wie Netflix anschließen, besteht die Ex-Monopolistin auf eigene Verträge für die direkte Zusammenschaltung. Zuletzt konnte sich das Unternehmen mit Facebook nicht einigen und erstritt vor Gericht eine Nachzahlung von 20 Millionen Euro. Meta zufolge läuft die Verbindung inzwischen über zwischengeschaltete Transit-Provider.
Ansatz mit wenigen Unterstützer:innen
Ein „regulatorischer Eingriff“ in den weitgehend unregulierten Interconnection-Markt sei jedoch nicht nur „unnötig“, sondern wäre auch „extrem schädlich für das globale Internet und seine Nutzer:innen“, warnt der offene Brief. Unterzeichnet haben ihn über zwei Dutzend zivilgesellschaftlicher Organisationen, darunter die Internet Society (ISOC), epicenter.works, die Electronic Frontier Foundation (EFF) und der Chaos Computer Club (CCC).
Schon der Dachverband europäischer Regulierungsbehörden BEREC habe in einer Untersuchung des Marktes festgestellt, dass sich „das Interconnection-Ökosystem des Internets durch gut funktionierende Marktdynamiken mit ausgewogenen Verhandlungspositionen“ auszeichne, schreiben die NGOs.
Auch hätte sich bei den öffentlichen Konsultationen zu Bretons Vorschlägen eine „überwältigende Mehrheit“ von Interessenvertretern dagegen gestellt: Zu befürchten wäre eine Fragmentierung des Internets, Wettbewerbsverzerrungen und insgesamt negative Anreize, die zu einer „teureren und ineffizienteren Infrastruktur mit schlechterer Servicequalität und höheren Kosten führen“ würden, warnen die NGOs.
Anhörung der Kommission im November
Endgültig bestellt ist die EU-Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen noch nicht. Die öffentlichen Anhörungen der vorgeschlagenen Kommissionsmitglieder im EU-Parlament beginnen Anfang November, Virkkunen soll sich am 12. November den Fragen der EU-Abgeordneten stellen. Diese müssen anschließend der designierten Kommission mehrheitlich zustimmen.
Die neue Kommission biete Europa die Gelegenheit, die Debatte rund um die Datenmaut zu beenden und die Unterstützung für wichtige Prinzipien wie Netzneutralität zu bekräftigen, schreiben die NGOs. Gleichermaßen werde Brüssel den von Breton ins Spiel gebrachten Digital Networks Act überdenken müssen: „Alle Empfehlungen müssen auf Beweisen und dem Input der Interessenvertreter beruhen“, berufen sich die NGOs auf die Konsultationen der vergangenen Legislaturperiode. Nun sei es an der Zeit, dass „Europa seine globale Führungsrolle nutzt, um ein offenes Internet für alle zu fördern“.
Wir brauchen eine Fritzbox mit Münzeinwurf, nur so kann die Deutsch Telekom genesen und die Vorstände Reibach machen…